Humane Papillomviren (HPV)
Hier finden Sie detaillierte Informationen über die Infektion, ihre möglichen Folgen und die Impfung
Dieser Beitrag wurde von der Leiterin des Nationalen Referenzzentrums für Papillom- und Polyomaviren, Frau Prof. Dr. med. Ulrike Wieland, dankenswerterweise im November 2024 gelesen und an einigen Stellen leichte Anpassungen angeregt, welche vollständig übernommen wurden.
Bild: Adobestock/Nuoni
Häufigkeit & Übertragung
HPV-Infektionen sind extrem häufig!
Humane Papillomviren (HPV) sind die häufigsten sexuell übertragenen Erreger. Mehr als 200 verschiedene HPV-Versionen sind bekannt, von denen mehr als 40 Typen sexuell übertragen werden. Infektionen mit verschiedenen Typen können gleichzeitig und nacheinander erfolgen.
Einige HPV-Arten KÖNNEN (müssen aber nicht!) Krebs auslösen, andere sind – wenn überhaupt – eher mit Feigwarzen assoziiert. Die meisten Infektionen verlaufen ohne Symptome.
Die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung bei engen (sexuellen) Kontakten ist SEHR hoch, da neben Schleimhautkontakten auch „Schmierinfektion“ über die Hände möglich sind. Kondome schützen, jedoch nur bedingt vor einer Übertragung. Laut UpToDate soll - bei konsequenter Kondomnutzung der Partner -die Schutzwirkung vor einer HPV-Infektion für Frauen bei etwa 70% liegen. Männer sollen sich zu 46% vor Infektionen durch Partnerinnen schützen können. In Anbetracht der sehr hohen Übertragungswahrscheinlichkeit besteht dennoch ein deutliches Infektionsrisiko. Kondome können eine HPV-Übertragung also NICHT sicher verhindern.
Frauen haben im Laufe ihres Lebens eine 80-100%ige Wahrscheinlichkeit, sich mit HPV zu infizieren. In einer Studie, in der 40 sexuell aktive junge Frauen zwischen 14 und 17 Jahren alle 3 Monate auf HPV untersucht wurden, fand in der Beobachtungszeit von 4,4-9,2 Jahren in 100% aller Teilnehmerinnen HPV-Infektionen statt. Bereits bei Studienbeginn bestand bei 55% der bei Einschluss in die Studie im Mittel 15-jährigen Frauen eine HPV-Infektion.
Die meisten Ansteckungen und die höchste Wahrscheinlichkeit für den Nachweis von HPV bei Frauen betreffen Frauen im Alter bis Mitte 30. Danach geht die Wahrscheinlichkeit eines HPV-Nachweises stark zurück. Die meisten Infektionen heilen in 6-18 Monaten aus. Nur etwa 10-15% werden chronisch.
Männer hingegen haben während ihres gesamten sexuell aktiven Lebens eine 40-50%-ige Wahrscheinlichkeit, aktuell mit HPV infiziert zu sein. Studien mit sexuell aktiven Männern zeigen, dass sich innerhalb eines Jahres fast 40%, innerhalb von 3 Jahren etwa 70% der Männer NEU mit HPV infizieren. Nach einigen Jahren sexueller Aktivität hat also auch bei nahezu allen Männern eine HPV-Infektion stattgefunden. Eine Ausnahme sind eventuell sehr monogame Männer mit nur wenigen Partner*innen in der Vergangenheit. Die abnehmende Häufigkeit ab Mitte 30 – wie bei den Frauen – gibt es bei Männern nicht. Auch bei Männern sind die meisten Infektionen nach 6-13 Monaten nicht mehr nachweisbar. Aktuell wird jedoch in der Fachwelt intensiv diskutiert, ob die Viren dann aus dem Körper "weg" sind oder ob sie sich eher in einem "Latenz"-Stadium in den Basalzellen der Schleimhaut dauerhaft aufhalten. Dann wäre eine Reaktivierung - zum Beispiel bei einer Schwächung des Immunsystems - möglich.
Kurzum: Wer mehrere Sexualpartner hatte, hat(te) HPV!
Oder: Die HPV-Infektion ist die natürliche Konsequenz sexueller Aktivität.
Eine HPV-Infektion ist nahezu nicht vermeidbar!
HPV-bedingte Erkrankungen
Krebserkrankungen
Chronische, nicht ausheilende Infektionen KÖNNEN zu HPV-bedingten Krebserkrankungen führen. Die häufigsten HPV-bedingten Krebse sind Gebärmutterhals-, Vagina- und Vulva-, Anal-, Penis- und Mund-Hals-Karzinome. Die Entwicklung einer Krebserkrankung erfolgt schrittweise über Jahre bis Jahrzehnte und über meist gut behandelbare Vorstufen. Infektionen mit potenziell krebsauslösenden HPV-Typen sind SEHR häufig! Nur ein ganz kleiner Anteil dieser Infektionen führt im Verlauf zu einer Krebserkrankung.
Feigwarzen
Warzen im Genital- und Analbereich, hin und wieder auch im Gesicht oder Mund, sind weitere typische Folgen einer HPV-Infektion. Verantwortlich sind vor allem die HPV-Typen 6 und 11. Diese können zwar Warzen, jedoch keine Krebse auslösen.
Von HPV-bedingten anogenitalen Warzen – auch Feigwarzen oder Condylomata accuminata genannt – sind jederzeit etwa 1% der erwachsenen Bevölkerung betroffen. Die Wahrscheinlichkeit eines sexuell aktiven Menschen, im Laufe seines Lebens an Feigwarzen zu erkranken, liegt bei 4-12%. Trotz des viel häufigeren Vorkommens potenziell Warzen-auslösender HPV-Typen entwickeln sich nur bei einem kleinen Teil der infizierten Menschen sichtbare Warzen.
Abgesehen von sehr großen oder an speziellen Lokalisationen vorkommenden Kondylomen, die auch mechanisch störend sein können (z.B. Harnröhre), ist die Therapie der Warzen deshalb vor allem kosmetisch begründet. Wichtig ist zu verstehen, dass durch die Behandlung der Warzen die zugrundeliegende Virusinfektion meist nicht beseitigt wird. Ein erneutes Auftreten trotz zunächst erfolgreicher Beseitigung der Warzen ist deshalb häufig.
Zur Behandlung stehen mehrere Verfahren zur Verfügung: Kleine Läsionen können mittels lokal aufzutragender Lösungen (Podophyllotoxin/Condylox® bzw. Wartec®) oder Cremes (Imiquimod/Aldara®, Grünteeextrakt/Veregen®) vom Patienten selbst behandelt werden. Ärzte können lokale Vereisungen, elektro- oder laserchirurgische Abtragungen vornehmen. Teils werden Verfahren kombiniert.
Ein erneutes Auftreten der Läsionen ist häufig, da all diese Therapien die zugrundeliegende HPV-Infektion nicht beseitigt. Da Warzen-auslösende HPV-Typen nicht zu Krebs führen, ist die Behandlung von Feigwarzen keine Krebsprophylaxe. Die Abtragung und feingewebliche Untersuchung von Feigwarzen kann aber sinnvoll sein, um parallel bestehende Krebsvorstufen, ausgelöst durch gleichzeitig vorhandene krebsauslösende HPV-Typen, nicht zu übersehen.
Krebsvorsorgeuntersuchungen
Gebärmutterhalskrebs,
die vierthäufigste Krebsart bei Frauen, ist nahezu immer auf HPV-Infektionen zurückzuführen. Vor allem die HPV-Typen 16 und 18 sind hierfür ursächlich (70% aller Gebärmutterhalskrebse). Weitere krebsauslösende HPV-Typen (31,33,45,52,58) sind durch die aktuellen 9-valenten Impfstoffe abgedeckt und sind zusammen mit HPV-16/18 für etwa 90% der Gebärmutterhalskrebse verantwortlich. Eine Impfung möglichst aller Mädchen (und Jungen!) vor dem 17. Lebensjahr ist die mit Abstand effektivste Krebsvorsorge!
Bereits seit Jahrzehnten sind Untersuchungsmethoden zur Früherkennung dieser Tumoren und ihrer Vorstufen etabliert worden. Allen Frauen ab dem 20. Lebensjahr werden jährliche Abstrichuntersuchungen zur Erkennung auffälliger Zellveränderungen empfohlen ("Pap-Test").
Seit einigen Jahren wird Frauen ab 35 Jahren zudem eine HPV-Testung – zusätzlich zum Zellabstrich – empfohlen. Hierdurch kann die Erkennung von Krebsvorstufen weiter verbessert werden, da diese fast nur bei Frauen vorkommen, bei denen nach dem 35. Lebensjahr noch immer (chronische, bis dahin nicht spontan ausgeheilte) HPV-Infektionen bestehen. Ziel dieser Virustests ist hier ausschließlich die bessere Abschätzung der Wahrscheinlichkeit des Auftretens bösartiger Tumoren. Abhängig vom Test-Befund werden Abstände und Umfang der Früherkennungsuntersuchungen angepasst.
Analkarzinome
treten vor allem bei Frauen auf, die bereits an anderen Lokalisationen HPV-bedingte Läsionen hatten oder haben. Ein deutlich erhöhtes Risiko besteht zudem für Menschen mit verminderter Immunfunktion.
Auch Männer, die Sex mit Männern haben, sind stärker gefährdet, da sie durch häufigere anale Sexualpraktiken ein höheres Risiko haben, sich in diesem Areal mit HPV zu infizieren. Kommen eine erhöhte Infektionsgefahr und ein Immundefekt zusammen, kann dies zu einem stark erhöhten Risiko für HPV-bedingte Analkarzinome führen. So haben HIV-infizierte Männer, die Sex mit Männern haben, ein bis zu 100-fach erhöhtes Risiko für Analkrebs. Dieses Risiko liegt weit über dem Risiko von Frauen, einen Gebärmutterhalskrebs zu bekommen. Auch HIV-infizierte Frauen haben ein stark erhöhtes Risiko für Analkarzinome.
Jährliche Früherkennungsuntersuchungen auf Analkrebs sind für alle HIV-infizierten Frauen und Männer mittels Zellabstrich und Tastuntersuchung des Analkanals empfohlen.
Für die anderen HPV-bedingten Krebsarten (Kopf-Hals, Penis) sind keine Früherkennungsuntersuchungen etabliert.
HPV-Test ???
Es gibt KEINE Therapie gegen eine bestehende HPV-Infektion! Einmal erworben, ist eine HPV-Infektion durch kein Medikament und durch keine therapeutische Maßnahme heilbar. In 85-90% der Fälle ist das Immunsystem jedoch in der Lage, das Virus aus dem Körper zu beseitigen und die Infektion zu beenden.
Kondome schützen - wie oben dargelegt - nur eingeschränkt gegen eine HPV-Übertragung. Wollte man die Übertragung einer HPV-Infektion verhindern, bliebe also nur völlige sexuelle Enthaltsamkeit, solange die Infektion besteht. Das Immunsystem benötigt jedoch bis zu 1,5 Jahre, um das Virus zu beseitigen. Eine verdammt lange Zeit ohne Sex. Für die meisten Menschen nicht realistisch und nicht zu empfehlen.
Tests auf das Virus - sogenannte PCR-Tests - sind nur für Frauen und nur aus dem Gebärmutterhals validiert und zugelassen. Die Durchführung eines HPV-Tests bei Frauen wird erst ab dem 35. Lebensjahr empfohlen. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten hierfür ausschließlich im Rahmen der gynäkologischen Krebsvorsorge.
HPV-PCR-Tests sind für andere Lokalisationen als dem Gebärmutterhals NICHT zugelassen und nicht validiert. Eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen ist NICHT gegeben.
Expert*innen, wie die Leiterin des Deutschen Konsilarlabors für HPV, Frau Prof. Wieland, raten in wissenschaftlichen Symposien (persönliche Kommunikation am 21.06.2023 und am 22.11.2024) von HPV-Testungen bei gesunden Männern ohne klinischen Verdacht auf HPV-bedingte Erkrankungen ab! Lediglich im Rahmen eines strukturierten Analkarzinom-Screenings kann ein HPV-Test erwogen werden.
Es gibt keine standardisierte Lokalisation, an der die Testung bei Männern erfolgen sollte, keine Zulassung der Tests für Männer und keine ausreichende Validierung zur Zuverlässigkeit der Ergebnisse. Die Genauigkeit der Ergebnisse ist also sehr fraglich. Es ist bei der Testung mittels Penis-, Scrotum- (Hodensack)- oder sonstigen Hautabstrichen potenziell möglich, dass negative Befunde erhoben werden, obwohl eine HPV-Infektion vorliegt. Ein negatives Testergebnis schließt bei Männern eine HPV-Infektion dann also nicht sicher aus! Für Intraanal-Abstriche gilt das nicht! Dort hat ein negativer HPV-Nachweis einen hohen negativen prädiktiven Wert. Heißt: Wird HPV in einem PCR-Test aus dem Anus nicht nachgewiesen, ist es sehr wahrscheinlich auch nicht (aktiv) vorhanden. Die potenzielle Möglichkeit einer "Latenz" in der Schleimhaut wurde bereits oben erwähnt. Der Nachweis oder NICHT-Nachweis von HPV bei Männern hat also KEINE Konsequenz! Eine nachgewiesene Infektion könnte NICHT behandelt werden, weil es keine Behandlung gibt. Eine Impfung ist jenseits des 27. Lebensjahres NICHT sinnvoll. Unabhängig davon, ob HPV nachgewiesen wurde - oder nicht. Die Übertragung auf Sexualpartner*innen ist - auch durch Kondome - NICHT sicher zu verhindern.
Wir bieten deshalb die HPV-Testung in unserer Praxis NICHT an.
Antikörpertests auf HPV, mit denen man eine Infektion in der Vergangenheit nachweisen oder ausschließen könnte, sind NICHT zuverlässig durchführbar und werden kommerziell und in medizinischen Labors nicht angeboten.
Es gibt also KEINEN Test, mit dem man zuverlässig im Labor nachweisen könnte, ob man in der Vergangenheit mit dem einen oder anderen HPV-Virustyp infiziert worden ist. Es gibt also auch keine labormedizinische Methode, mit der man herausfinden könnte, ob eine Impfung eventuell doch noch Sinn macht.
Impfung gegen HPV
Neben (wohl eher selten praktizierter) VÖLLIGER sexueller Enthaltsamkeit ist die Impfung eine sehr wirksame Vorbeugung gegen eine Ansteckung mit HPV und deren potenziell negative Folgen.
Diese ist jedoch nur präventiv – vor dem erstmaligen Kontakt mit dem Virus – wirksam. Da die meisten Infektionen bereits sehr schnell nach Aufnahme sexueller Aktivität in der Jugend stattfinden, ist eine Impfung im Alter zwischen 9 und 14 Jahren am besten wirksam. Impfungen nach dem 27. Lebensjahr erwiesen sich in Studien als meist wirkungslos und werden nicht empfohlen.
Der schützende Effekt der Impfungen vor Infektionen mit HPV wird auf die Induktion schützender ("neutralisierender") Antikörper zurückgeführt. Diese verhindern, dass HPV an ihre Zielzellen binden und diese infizieren können. Der Nettoeffekt ist also eine Verhinderung der Ansteckung mit HPV.
Auf den Verlauf bereits bestehender Infektionen hat die Impfung keinen Einfluss. Es konnte kein Nutzen einer Impfung bei bereits bestehenden HPV-bedingten Warzen oder Krebsen gezeigt werden.
Seit 2014 wird die HPV-Impfung in Deutschland für alle Mädchen im Alter von 9-14 Jahren, seit 2018 auch für alle Jungen im selben Alter empfohlen.
Die aktuelle Deutsche Leitlinie zur HPV-Impfung gibt folgende Empfehlungen:
Anmerkung Glaunsinger:
Es gibt also die klare und eindeutige Empfehlung zur Impfung von Mädchen und Jungen gegen HPV im Alter von 9-14 Jahren. Je früher, desto besser! In jedem Fall sollte die Impfung - wann immer möglich - VOR der Aufnahme sexueller Aktivität erfolgen!
Ältere Jugendliche beider Geschlechter sollen bis zum Alter von 17 Jahren geimpft werden, auch wenn sie bereits sexuell aktiv sind.
HPV-Impfungen vor dem 17. Lebensjahr schützen Frauen deutlich besser vor Gebärmutterhals-krebs als später durchgeführte Vakzinierungen:
Impfungen gegen HPV wirken ausschließlich vorbeugend und schützen vor einer Infektion. Impfungen haben auf den Verlauf einer bereits erfogten Infektion keinen Einfluß. Entscheidend ist deshalb, dass die Impfung so früh wie möglich - am besten VOR Aufnahme sexueller Aktivität - durchgeführt wird!
In die Analyse von Lei et al fließen die Daten aus dem nationalen schwedischen Gesundheitsregister ein. Untersucht wurde der Zusammenhang zwischen dem Auftreten höhergradiger Vorstufen von Gebärmutterhalskrebs (CIN2+) und der Impfung gegen HPV überhaupt sowie der HPV-Impfung im Alter von unter 17 Jahren im Vergleich zu der im Alter zwischen 17 und 22 Jahren.
Hierbei zeigt sich eine deutliche Reduktion des Auftretens von Gebärmutterhalskrebsvorstufen bei geimpften Mädchen/Frauen, die nochmals besser ist, wenn die Mädchem im Alter von unter 17 Jahren geimpft wurden. Dies kann als Hinweis darauf gewertet werden, dass es vor allem um den Schutz vor Infektion vor dem erstmaligen Kontakt mit HPV ankommt.
Die maximale Reduktion von Krebsvorstufen wird bei einer Impfung vor dem 17. Lebensjahr erreicht!
Anmerkung Glaunsinger:
Im Alter von 18 bis 26 Jahren kann eine Impfung sinnvoll sein. Der Empfehlungsgrad der Leitlinie ist geringer als bei den Jüngeren. Statt "SOLL" heißt es hier "SOLLTE" geimpft werden.
In einer zweiten Analyse von Lei et al., ebenfalls aus dem Schwedischen Gesundheitsregister, wurde der gleiche Zusammenhang mit dem Auftreten von Gebärmutterhalskrebsen nachgewiesen: Geimpfte hatten 63% weniger Krebs als Ungeimpfte.
Mädchen, die vor dem 17. Lebensjahr geimpft wurden, haben fast nie Gebärmutterhalskrebs entwickelt (grüne Linie). Die Schutzwirkung vor dem Auftreten von Gebärmutterhalskrebs war deutlich besser, wenn die Impfung vor dem 17. Lebensjahr erfolgt ist, verglichen mit einer späteren Impfung zwischen dem 17. und 30. Lebensjahr (blaue Linie).
Konkret liess sich das Risiko für die Entwicklung eines Gebärmutterhalskrebses bis zum Alter von 30 Jahren um 88% senken, wenn die erste HPV-Impfung vor dem 17. Lebensjahr erfolgt (grün markiert). Wird die Impfung erst später durchgeführt (große Altersspanne 17-30 Jahre!), so lassen sich "nur" noch 53% der Krebserkrankungen verhindern (orange markiert).
Die maximale Senkung der Krebsentstehung lässt sich nur bei einer Impfung vor dem 17. Lebensjahr erreichen: Incidence Rate Ratio 0,12 - entspricht einer Risikoreduktion um 88% gegenüber Ungeimpften (=0,12-faches Risiko der Ungeimpften). Wenn man als Grenze 20 Jahre ansetzt, so beträgt die Risikoreduktion "nur" noch 64% (IRR 0,36) und ist kaum besser als eine spätere Impfung bis zum Alter von 30 Jahren (IRR 0,38). Bedeutet: Selbst das 21. Lebensjahr ist schon etwas spät...
Ganz ähnlich sind die Daten aus den Dänischen Registern. Kjaer et al haben den Zusammenhang zwischen der ersten HPV-Impfung in verschiedenen Altern und dem Auftreten von Gebärmutterhalskrebs in großen, bevölkerungsweiten dänischen Registern untersucht. Auch hier zeigt sich:
Wenn die erste Impfung vor dem 16. Lebensjahr erfolgt, schützt sie SEHR gut vor Gebärmutterhalskrebs. In der Grafik dargestellt ist das Auftreten von Gebärmutterhalskrebs bis zum Alter von 30 Jahren bei ungeimpften (schwarze Linie) und im Alter von <16 Jahren geimpften (rote Linie) Mädchen und Frauen:
Wird die Impfung "erst" im Alter von 20-30 Jahren durchgeführt, ist ein schützender Effekt vor Gebärmutterhalskrebs (in dieser Auswertung!) nicht mehr vorhanden! Es zeigen sich keine geringere Krebsraten bei Geimpften (rote Linie) im Gegensatz zu Ungeimpften (schwarze Linie):
Die Autoren weisen darauf hin, dass das durchschnittliche Alter, in dem dänische Mädchen ihre ersten sexuellen Kontakte haben, 16 Jahre ist.
Somit ist der Effekt der Impfung am größten, wenn sie VOR der Aufnahme sexueller Aktivität und damit VOR dem ersten (sexuellen) Kontakt mit HPV stattfindet.
Ähnlich wie in der schwedischen Registerstudie zeigt sich bei einer ersten Impfung im Alter <16 Jahren ein schützender Effekt vor dem Auftreten von Gebärmutterhalskrebs in Höhe von 87% (IRR 0,13 bedeutet 0,13-faches Risiko im Vergleich zu Ungeimpften = 87% Reduktion des Risikos).
Eine Impfung der 20-30-Jährigen zeigte KEINEN Effekt auf die Verhinderung von Gebärmutterhalskrebs (orange Markierung)!
Beide Studien zeigen sehr deutlich, wie wichtig ein sehr früher Impfzeitpunkt zur Verhinderung von Gebärmutterhalskrebs ist. Die Impfung sollte VOR der Aufnahme sexueller Aktivität stattfinden!
Ähnliches zeigen Studien bei jungen Männern:
HPV-Impfungen vor dem 26. Lebensjahr schützen gesunde Jungen und Männer - die bisher maximal 5 Sexualpartner*innen im Leben hatten (!) - gut vor HPV-begingten anogenitalen Läsionen: In der Studie von Giuliano et al, die auch in Berlin durchgeführt wurde, erhielten Männer zwischen 18 und 26 Jahren, bei denen bisher keine HPV-bedingten Läsionen nachgewiesen wurden und die bisher nicht mehr als 5 Sexualpartner*innen im Leben hatten, entweder die quadrivalente HPV-Impfung oder Placebo.
In dieser Studie wurde der Schutz gegen das Auftreten HPV-bedingter analer oder genitaler Läsionen sowie gegen persistierende HPV-Infektionen in zwei klar definierten Gruppen untersucht.
In die intention to treat-Gruppe wurden alle Probanden eingeschlossen, die mindestens eine Impfung erhalten haben und innerhalb der Studie im Verlauf untersucht wurden. Die Probanden in der intention to treat-Gruppe hatten - trotz der strengen Beschränkung auf maximal fünf Sexualpartner*innen bisher im Leben - teilweise bereits schon HPV-Infektionen in der Zeit vor Aufnahme in die Studie.
In der per protocol Gruppe wurden nur Probanden berücksichtigt, die bei Studieneinschluss keine Antikörper gegen HPV und keinen Nachweis von HPV in Genital-/Anal-Abstrichen hatten und alle drei vorgesehenen Impfungen erhalten haben. In der per protocol-Gruppe waren also mit der höchsten Wahrscheinlichkeit Probanden, die bisher nicht mit HPV infiziert waren und bei denen die impfung einen potenziellen Schutz gegen eine erstmalige Infektion mit HPV darstellt.
Der Schutz gegen das erstmalige Auftreten HPV-bedingter genitaler oder analer Läsionen (v.a. Feigwarzen und Krebsvorstufen) war in der per protocol-Gruppe (rechte Grafik. roter Pfeil) mit 83,8% besser als in der intention to treat-Gruppe mit 60,2% (linke Grafik).
Dies kann erneut als Hinweis verstanden werden, dass die Impfung nur vorbeugend bei Personen wirkt, die zuvor noch nie mit HPV in Kontakt kamen.
Einen Schutz vor HPV-bedingten anogenitalen Läsionen konnte man durch die HPV-Impfung in beiden Gruppen nachweisen. Es wurden jedoch nur Männer eingeschlossen, die bisher maximal 5 Sexualpartner*innen im Leben hatten! Und selbst bei dieser Einschränkung zeigte sich ein deutlicher Unterschied mit deutlich besserem Schutz bei Probanden, die bisher keine HPV-Infektion erworben hatten.
Eine Subgruppenanalyse aus dieser Studie bezieht sich nur auf die 602 eingeschlossenen Männer, die Sex mit Männern (MSM) hatten:
Hier zeigte sich erneut eine Schutzwirkung der Impfung gegen des Auftreten von Analen Intraepithelialen Neoplasien (AIN), den Vorstufen von Analkrebs. Allerdings lag der Schutz vor anogenitalen HPV-Läsionen mit 50,3% (intention to treat-Gruppe) und 77,5% (per protocol-Gruppe) etwas unter denen der Gesamtgruppe aus hetero- und homo-/bisexuellen Männern.
Heißt auch, dass die Impfung nur vor der Hälfte der HPV-bedingten anogenitalen Läsionen (Feigwarzen und AIN) schützt, wenn bereits eine HPV-Infektion bei Studieneitritt vorlag. Und das, obwohl auch hier nur junge MSM eingeschlossen wurden, die bisher maximal 5 Sexualpartner im Leben hatten!
Eine HPV-Impfung bei sexuell aktiven Erwachsenen hat also nur noch eingeschränkten Nutzen. Je mehr Sexualpartner man im Leben hatte, umso unwahrscheinlicher ist es, dass eine Impfung noch sinnvoll ist.
Hierauf beziehen sich die Leitlinien-Autoren auch in der Empfehlung, HIV-negativen PrEP-Nutzern die Impfung NICHT zu empfehlen:
Anmerkung Glaunsinger:
Zur Begründung finden sich in der Leitlinie u.a. folgende Zeilen:
"Bei jugendlichen, HIV-negativen 16- bis 20-jährigen MSM findet man hohe HPV-Inzidenzraten. In einer relativ kleinen (n=61) Querschnittsstudie mit HIV-negativen MSM, die PrEP benutzen, wurden anale HPV-Infektionen in allen Altersgruppen bei über 85% der Männer gefunden (74% mit multiplen HPV-Typen), bei jüngeren MSM zwischen 19 und 29 Jahren sogar in 95%. Eine weitere kürzlich publizierte Studie zu HIV-negativen MSM zeigte, dass PrEP-Benutzer ein ähnlich hohes Risiko für HPV-Infektionen (anal 92%, HR-HPV 84%; Penis 32%, HR-HPV25%; oral 12%, HR-HPV 10%) haben wie HIV-positive MSM. Multiple HPV-Infektionen waren bei den PrEP-Benutzern häufig und HPV-Typen, die im nonavalenten Impfstoff enthalten sind wurden in 77% (anal), 22% (Penis) und 6% (oral) der Proben gefunden. Nur 32% der Männer hatten einen unauffälligen analen Zytologiebefund."
Weiter heißt es in der Leitlinie:
"Wie oben bereits erläutert (...), ist die HPV-Impfung bei bereits erfolgter bzw. vorliegender Infektion mit den Impfstoff-Typen nicht mehr sinnvoll, da die Impfung gemäß den Angaben in den Fachinformationen der Impfstoffhersteller „keinen Effekt auf aktive HPV-Infektionen oder bereits bestehende klinische Erkrankungen hat“ und „nicht vor Läsionen schützt, die durch HPV-Typen verursacht werden, gegen die der Impfstoff gerichtet ist, wenn die zu impfende Person zum Zeitpunkt der Impfung bereits mit diesem HPV-Typ infiziert ist“ (...) Die fehlende Wirksamkeit der HPV-Impfung bei bereits vorliegender Infektion mit den Impfstoff-Typen wurde in mehreren kontrollierten Studien bei Frauen und Männern gezeigt."
Anmerkung Glaunsinger:
Ab einem Alter von 27 Jahren wird von einer HPV-Impfung explizit abgeraten ("sollte NICHT")!
Die Autoren der Leitlinie sehen keinen Nutzen mehr in Impfungen, da im Alter ab 27 Jahren die sexuelle Aktivität der meisten Menschen bereits so intensiv war, dass nahezu immer bereits eine HPV-Infektion besteht.
Gut illustriert wird der fehlende Impfschutz bei "älteren" Impflingen in den oben dargestellten dänischen Registerstudien Kjaer et al:
Bereits ab einem Alter von 20 Jahren bei der ersten Impfung bestand - in dieser Auswertung - nahezu kein nachweisbarer Schutz vor dem Auftreten eines Gebärmutterhalskrebses mehr!
Nach Ansicht der Autoren der deutschen Leitlinie gibt es keine Evidenz dafür, dass eine HPV-Impfung jenseits des 27. Lebensjahres noch einen nennenswerte NUTZEN hat!
Anmerkung Glaunsinger:
Demgegenüber gilt es immer, das relative Risiko für einen potenziellen SCHADEN durch eine Impfung abzuwägen! Auch wenn moderne Impfstoffe SEHR GUT VERTRÄGLICH sind (!!!), können schwere Nebenwirkungen in ganz seltenen Fällen nicht sicher ausgeschlossen werden! Vor allem (potenziell lebensgefährliche) allergische/anaphylaktische Reaktionen sind möglich. In ganz seltenen Fällen können jedoch auch autoimmunologische Phänomene durch Impfungen ausgelöst werden, z.B. ein Guillain-Barré-Syndrom.
Jeder verantwortungsbewußte Arzt, der die Akzeptanz von Impfungen erhalten möchte, MUSS darauf wert legen, dass Impfungen nicht durch falsche Indikation in Verruf kommen!
Je eindeutiger ein NUTZEN einer medizinischen Maßnahme ist, desto bereitwilliger ist man, ein im Vergleich dazu relativ geringes RISIKO durch die Maßnahme in Kauf zu nehmen. Bei einem fehlenden oder geringen Nutzen ist jeder Arzt ethisch verpflichtet, abzuwägen, ob Nutzen und Risiko noch in einem Verhältnis stehen, welches die medizinische Maßnahme rechtfertigt. Im Hippokratischen Eid heißt es: "Primum non nocere" was soviel bedeutet wie: "Nichts am Patienten zu unternehmen, was einen noch größeren Schaden erzeugen kann".
Deshalb geht es hier nicht um "sparen wollen" oder "Jemand etwas nicht gönnen", wenn impfbegeisterte Infektiologen wie wir in dem einen oder anderen Fall von Impfungen abraten. Selbst, wenn die Krankenkasse es zahlen würde, wäre nicht alles, was bezahlt würde, auch sinnvoll!
Sicher kann man im Einzelfall immer Pro und Contra abwägen: Wenn ein(e) 28-Jährige(r) bisher nur DEN/DIE Jugendfreund(in) als Sexualpartner*in hatte, KANN eine HPV-Impfung sinnvoll sein. Bei einem sexuell aktiven Fan sexpositiver Parties ist der Sinn SEHR fraglich. Und dies ist NICHT wertend!
Einige Leitlinien empfehlen, HIV-infizierte Menschen noch bis zum Alter von 45 Jahren gegen HPV zu impfen. Hier äußert sich die Deutsche Leitlinie deutlich zurückhaltender und bezieht sich unter anderem auf unten aufgeführte Studie:
Anmerkung Glaunsinger:
In der Studie von Wilkin et al wurden 288 HIV+ Menschen mit einem Mindestalter von 27 Jahren mit dem quadrivalenten Impfstoff (qHPV) geimpft und 287 erhielten Placebo.
Untersucht wurde, ob es Unterschiede in der Häufigkeit persistierender analer und/oder oraler HPV-Infektionen mit den in der Impfung enthaltenden HPV-Typen zwischen den Geimpften/Ungeimpften gab (HPV 16/18 detected, rot markiert).
Ebenfalls untersucht wurde, ob es Unterschiede in der Häufigkeit von HPV-Nachweisen im Mund gab (schwarz markiert).
Zudem wurde untersucht, ob es Unterschiede in der Häufigkeit (abnormal anal cytology results) und Schwere (HSIL) analer Krebsvorstufen gab (orange markiert).
Es zeigten sich keinerlei Vorteile für die Impfung.
Die Studie wurde wegen "futility" = Sinnlosigkeit/Nutzlosigkeit der Impfung vorzeitig abgebrochen.
Da die analen und oralen (84%) HPV-bedingten Krebse überwiegend durch die Typen 16 und 18 verursacht werden, ist mit dem neuen 9-valenten Impfstoff keine komplett andere Beurteilung zu erwarten.
Anmerkung Glaunsinger:
Die Impfung gegen HPV führt zur Bildung neutralisierender Antikörper gegen das Haupt-Oberflächenprotein des Virus (L1). Diese Antikörper verhindern das Andocken des Virus an die menschlichen Zielzellen. Somit verhindert die Impfung die Infektion, hat aber keinen Einfluss auf den Verlauf einer Infektion und deren Folgen.
Es wird immer wieder behauptet, die Impfung hätte einen Effekt auf das Wiederauftreten von Condylomen nach deren Entfernung. Einige Studien zeigen einen mehr oder weniger großen Effekt, andere können diesen nicht bestätigen. Die Autoren der Leitlinie diskutieren dies wie folgt:
"Während eine therapeutische Wirksamkeit der HPV-Impfung nicht zu erwarten ist, deuten jedoch die Ergebnisse einzelner Studien darauf hin, dass die HPV-Impfung einen Schutz vor Reinfektion und daraus resultierender Wiedererkrankung nach erfolgreicher Therapie bestehender HPV-assoziierter Läsionen bieten kann. Die Studienergebnisse zu dieser Fragestellung sind jedoch heterogen und Studien, die eine sekundärprophylaktische Wirksamkeit der Impfung nahelegen, in der Mehrzahl durch ein retrospektives Studiendesign und eine relativ geringe Studiengröße charakterisiert."
Anmerkung Glaunsinger:
In der Gynäkologie deuten einige Studien darauf hin, dass das Wiederauftreten von Gebärmutterhals-Krebsvorstufen (CIN) - nach einer Entfernung dieser - durch eine HPV-Impfung verringert werden kann.
Zur Verhinderung des Wiederauftretens von Analen Intraepithelialen Neoplasien bei HIV-infizierten MSM und von Feigwarzen gibt es allerdings eher ernüchternde Ergebnisse.
In zwei Studien konnte bei HIV-infizierten MSM KEIN Effekt einer HPV-Impfung auf das Wiederauftreten Analer Intraepithelialer Neoplasien (=Vorstufen von Analkrebs) gefunden werden, wenn parallel zur Behandlung der AIN eine HPV-Impfung erfolgt ist:
Auch für das Wiederauftreten anogenitaler (Feig)Warzen (AGW) nach deren Entfernung fand sich in einer Metaanalyse mehrerer Studien kein Vorteil für die HPV-Impfung:
Anmerkung Glaunsinger:
Es wäre so elegant: Man macht einen Antikörpertest oder einen HPV-PCR-Test und findet damit heraus, mit welchen HPV-Typen man bereits Kontakt hatte und ob sich eine Impfung noch lohnt. Funktioniert aber leider NICHT!
Detaillierte Informationen zu spezifischen Krankheitbildern und Themen: