GONOKOKKEN-Infektionen:

Gonokokken sind Bakterien und Erreger der Gonorrhoe, einer nahezu ausschließlich sexuell übertragenen Schleimhautinfektion.
Häufigste Manifestationen sind eine meist mit Ausfluss und Schmerzen einhergehende eitrige Harnröhrenentzündung beim Mann sowie eine oft nur zu wenig Beschwerden führende Entzündung des Gebärmutterhalses und der Harnröhre der Frau. Von diesen primären Infektionsorten kann sich die Infektion ausbreiten und Nebenhoden- und Prostata-Entzündungen sowie zu Gebärmutter-, Eileiter und Beckeninfektionen auslösen. Als Folge dieser kann es zu Unfruchtbarkeit kommen.

Zur Diagnostik sind Abstriche vom Ort des Erregereintritts in den Körper – bei Männern statt eines Harnröhrenabstrichs auch Erstrahl-Urinproben – erforderlich, die meist mittels eines sehr empfindlichen molekularbiologischen Testverfahrens (PCR) untersucht werden. Zudem sollten kulturelle Testungen aus den Abstrichen mit nur so möglichen Untersuchungen der Antibiotika-Empfindlichkeit angestrebt werden.

Die Therapie gestaltet sich wegen immer häufigerer Antibiotika-Resistenzen der Erreger zunehmend schwierig. Es sollte immer eine Kombination aus zwei Antibiotika (Ceftriaxon und Azithromycin) gegeben werden. Hierfür sind Injektionen oder Kurzinfusionen nötig.

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Der Erreger

Die in Paaren vorkommenden Bakterien der Spezies Neisseria gonorrhoeae sind kugelförmig (Kokken) und die Erreger der Gonorrhoe (=„Tripper“). Deshalb werden sie vereinfachend oft als Gonokokken bezeichnet. Sie sind sehr empfindlich gegen Austrocknung und anspruchsvoll bezüglich ihrer Wachstumsbedingungen, weshalb sie außerhalb des menschlichen Körpers schnell absterben. Für eine Übertragung sind folglich enge Schleimhautkontakte erforderlich. Der Mensch ist das einzige Reservoir des Erregers, Infektionen über Tiere sind nicht möglich.

Häufigkeit und Vorkommen

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass sich jedes Jahr weltweit etwa 106 Millionen Menschen mit Gonokokken infizieren. Für Deutschland gibt es, da der Erreger nicht meldepflichtig ist, keine genauen Daten. Schätzungen gehen jedoch von einer Zunahme in den letzten Jahren aus.
Besonders häufig betroffen sind – wie bei Chlamydien – junge Menschen zwischen 15 und 25 Jahren. Zudem stellen Männer, die Sex mit Männern haben (MSM) eine sehr stark betroffene Risikogruppe dar. In einer Studie aus den Jahren 2009-2010 fanden sich bei 4,6% der MSM Gonokokken im Anal- und bei 5,5% im Rachenabstrich. Auch bei Sex-Arbeiterinnen wurden mit 3,2% vermehrt Gonokokken nachgewiesen.     
Sehr viele Infektionen – vor allem im Rachen (!) – verlaufen ohne Beschwerden (asymptomatisch). Gerade asymptomatisch Infizierte stellen eine relevante Infektionsquelle dar, da sie sich gesund fühlen und sich ihrer Bedeutung als Infektionsquelle nicht bewusst sind.
Die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung bei einem sexuellen Kontakt beträgt etwa 50-60% von einem Mann auf eine Frau und etwa 20% von einer Frau auf einen Mann.

Erkrankungen:

Die Inkubationszeit – also die Zeit von der Infektion bis zu den ersten Symptomen – beträgt 2-6 (-14) Tage.
Viele Infektionen (Frauen>Männer, Rachen>>Harnröhre) verlaufen ohne Beschwerden (asymptomatisch). Ansteckungsgefahr besteht, solange der Betroffene unbehandelt ist. Etwa 24 Stunden nach Beginn einer wirksamen (!) antibiotischen Therapie sind die Keime abgetötet und nicht mehr infektiös.  
Primärer Infektionsort sind die Schleimhäute des Gebärmutterhalses, der Harnröhre, des Rektums oder der Bindehaut. Ausgehend hiervon können sich Infektionen lokal ausbreiten, selten auch über die Blutbahn in ferner gelegene Gewebe. Der allergrößte Teil der Infektionen bleibt jedoch auf die Schleimhäute beschränkt. Meist entwickelt sich dabei ein eitriges Sekret.
Da Gonokokken ihre Oberflächeneigenschaften schnell verändern können, entziehen sie sich recht effektiv einer Bekämpfung durch das Immunsystem. Infektionen hinterlassen keine Immunität und können beliebig oft neu akquiriert werden. Eine Impfung ist nicht verfügbar.
Gonokokken-Infektionen der Schleimhäute können die Empfänglichkeit für HIV und somit die Wahrscheinlichkeit einer HIV-Übertragung erhöhen.

Frauen:

Gonokokken-Infektionen verlaufen bei Frauen häufiger asymptomatisch als bei Männern.

Entzündung des Gebärmutterhalses (Cervicitis) und der Harnröhre (Urethritis)
Die Infektion des Gebärmutterhalses ist die häufigste Manifestation der Gonorrhoe bei der Frau. In 90% liegt zeitgleich eine Harnröhreninfektion vor. Typische Beschwerden sind (meist eitriger) Ausfluss, mitunter Blutungen aus der Vagina sowie Brennen beim Wasserlassen. Mindestens 50% der Infektionen verlaufen jedoch asymptomatisch oder unspezifisch-beschwerdearm.
Durch lokal fortgeleitete und aufsteigende Ausbreitung können die Scheidenvorhofdrüsen (Bartholinitis), die Gebärmutter, die Eileiter und das kleine Becken involviert werden.

Entzündung der Gebärmutter (Endometritis), der Eileiter (Salpingitis) und des kleinen Beckens – oft als Pelvic Inflammatory Disease (PID) zusammengefasst
Entzündungen der Eileiter, der Eierstöcke und des kleinen Beckens können mit Schmerzen, Fieber, Schüttelfrost, Zwischenblutungen und schmerzhaften Menstruationen einhergehen. Wie bei den Chlamydien kann vor allem die Entzündung der Eileiter schwerwiegende Folgen haben. Durch entzündliche Verklebungen, später Vernarbungen droht ihr Funktionsverlust und damit Unfruchtbarkeit. Zudem steigt das Risiko für spätere Eileiterschwangerschaften.

Schwangerschaftskomplikationen:
Eine Infektion in der Schwangerschaft kann zu Komplikationen wie Früh- oder Fehlgeburten führen.

Männer:

Entzündung der Harnröhre (Urethritis)
Der klassische „Tripper“ geht mit Missempfindungen (Kribbeln, Brennen) und Schmerzen in der Harnröhre beim Wasserlassen sowie mit einer Rötung der Harnröhrenöffnung einher. Hinzu kommt typischerweise ein zumeist eitriger, manchmal jedoch auch klarer Ausfluss. Die Intensität der Beschwerden kann sehr unterschiedlich sein. Neben dauerhaften größeren Mengen eitrigen Sekrets sind auch wenige Tropfen am Morgen („Bonjour-Tropfen“) möglich. Die meisten Harnröhren-Infektionen beim Mann machen deutliche Beschwerden, in ca. einem Viertel bestehen nur geringe Symptome, etwa 10% der Infektionen verlaufen asymptomatisch. Häufig bestehen zeitgleich Infektionen im Rachen und/oder Anus, die jedoch oft asymptomatisch bleiben.

Entzündung der Nebenhoden (Epididymitis), der Samenbläschen (Vesikulitis) und der Prostata (Prostatitis)
Durch Fortleitung der Infektion aus der Harnröhre können Entzündungen der Harnröhren-drüsen (Cowper`sche Drüsen), der Samenbläschen, der Nebenhoden sowie der Prostata auftreten, wobei Ausfluss oft fehlt.
Typische Beschwerden bei einer Nebenhodenentzündung sind Schmerzen und Schwellung der Nebenhoden sowie eine Rötung des Hodensacks.
Prostata-Entzündungen können zu Schmerzen im Unterbauch, im Damm, beim Stuhlgang, der der Ejakulation und beim Wasserlassen, zu häufigem Harn- und Stuhldrang, abgeschwächtem Harnstrahl, Harnträufeln und Ausfluss aus der Harnröhre führen. 

Beide Geschlechter:

Entzündungen des Enddarms (Proktitis)
Nach (passivem) Analverkehr bei Frauen und Männern, zuweilen auch durch verschleppte Sekrete aus dem Vaginalbereich bei Frauen, kann es zu einer Entzündung des Enddarms kommen. In bis zu 30% aller Frauen mit Gonokokken-Infektion des Gebärmutterhalses soll auch eine rektale Infektion bestehen.
Typisch sind Missempfindungen wie analer Juckreiz oder Schmerzen beim Stuhlgang, gehäufter Stuhldrang sowie Abgang von Schleim und Blut aus dem Anus.
Ein Großteil der Infektionen verläuft ohne Beschwerden (asymptomatisch).

Entzündungen des Rachens (Pharyngitis)
Nach oral-genitalen Kontakten findet sich nicht selten eine Racheninfektion. Diese ist in 90% asymptomatisch. Mögliche Beschwerden sind Missempfindungen und Halsschmerzen. Gerade die fehlende Symptomatik, verbunden mit einer unsicheren Wirksamkeit vieler Antibiotika in dieser Lokalisation, machen die Infektion des Rachens zu einer wichtigen Quelle der weiteren sexuellen Verbreitung.

Systemische (disseminierte) Gonokokkeninfektion
Selten (in 1-3% der Fälle) und bei Frauen häufiger kann es zu einer Verbreitung der Erreger über die Blutbahn in zahlreiche Gewebe und Organe kommen. Meist 2-3 Wochen nach der akuten Infektion – wenn die genitalen Symptome bereits abgeklungen sind – treten Fieberschübe, Gelenk- und Sehnenscheidenentzündungen (Arthritis, Tenosynovitis) und Hautveränderungen (vaskulitische Hämorrhagien und Nekrosen) auf. Seltener involviert sind die Leber (Perihepatitis), das Herz (Endocarditis), die Hirnhäute (Meningitis) oder das Knochenmark (Osteomyelitis).

Infektionen der Bindehaut des Auges (Konjunktivitis)
Unter der Geburt kann es durch Kontakt mit erregerhaltigen Sekreten des Geburtskanals zu einer (schweren) Entzündung der Bindehaut des Neugeborenen mit Gefahr der Erblindung kommen (Ophthalmoblenorrhoe). Auch Erwachsene können durch Kontamination der Augen (oft Schmierinfektionen durch den Erkrankten selbst) an einer Bindehautentzündung erkranken und – bei fehlender oder zu später Behandlung – schlimmstenfalls erblinden.

Diagnose

In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle handelt es sich – zumindest anfangs – um lokal begrenzte Infektionen am Ort des Eintritts der Bakterien in den Organismus. Zum Erregernachweis sind deshalb Untersuchungen an den sexuell beteiligten Körperöffnungen erforderlich. Hierfür werden Abstriche von – je nach sexuellen Praktiken involvierten –  Schleimhäuten durchgeführt.

Statt eines (sehr unangenehmen) Harnröhrenabstrichs eignen sich zur Testung bei Männern auch die ersten Tropfen Urin, welche die Harnröhre und die darin befindlichen Gonokokken ausgespült haben (Erststrahl-Urin). Wichtig ist hierbei, dass man mindestens eine Stunde vor der Gewinnung der Urinprobe nicht uriniert hat. Andernfalls wäre die Harnröhre „sauber gespült“ und der Test falsch-negativ.
Bei Frauen ist die Urin-Untersuchung deutlich weniger empfindlich als ein Abstrich vom Gebärmutterhals oder ein (selbst entnommener) Vaginalabstrich.

Wegen des hohen Anteils symptomloser Infektionen sollte sich die Wahl der Abstrich-Orte nicht nach den Beschwerden, sondern nach den stattgehabten Sexualpraktiken richten.

Die Abstriche und Urinproben werden standardmäßig mit einem molekularbiologischen Verfahren untersucht, bei welchem kleinste Mengen der Erbinformation der Gonokokken spezifisch nachgewiesen werden kann (Polymerase Chain Reaction - PCR). Diese Untersuchungen sind technisch aufwändig und teuer. Aufgrund ihrer sehr hohen Empfindlichkeit und ihrer breiten Verfügbarkeit ist die PCR (und verwandte Verfahren) heute das sensitivste Verfahren und Standard in der Diagnostik. 

Versuchen sollte man, die Gonokokken in einer Kultur im Labor anzuzüchten! Nur hierdurch ist eine Testung der Erreger auf eine (oft vorliegende) Antibiotika-Resistenz möglich. Kulturen sind nur aus Abstrichen – nicht aus Urinproben – möglich. Da die Erreger außerhalb des Körpers sehr empfindlich und anspruchsvoll sind, gelingt der kulturelle Nachweis jedoch leider sehr viel seltener als der Nachweis mittels PCR. Die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Kultur hängt zudem vom Abstrichort (Harnröhre/ Gebärmutterhals > Anus/Rektum >> Rachen) und von einem schnellen Transport ins Labor ab.

Durch Abstrich gewonnene Proben können auch mit dem Mikroskop untersucht werden. Gut geeignet sind Sekrete aus der Harnröhre und vom Gebärmutterhals. Nach Ausstrich auf einem Objektträger und spezieller Färbung können die typisch paarweise vorkommenden Bakterien unter dem Mikroskop innerhalb von weißen Blutzellen gesehen werden. Bei passenden Beschwerden gilt es als hinreichend wahrscheinlich, dass es sich dabei um Gonokokken und nicht um (harmlose) ähnlich aussehende Bakterien handelt. Da mikroskopische Untersuchungen aufwändig und aus Anal-/Rachenabstrichen wenig empfindlich sind, werden sie nur selten durchgeführt.

Blutuntersuchungen zum Nachweis der Gonokokken sind nur selten und nur beim Verdacht auf eine disseminierte Gonokokkeninfektion sinnvoll.

Antikörper-Untersuchungen aus dem Blut sind nicht hilfreich, da Antikörper bei den (zumeist lokal begrenzten) Infektionen nur unsicher und meist erst viel zu spät gebildet werden.

Therapie

Jeder Nachweis von Gonokokken sollte antibiotisch behandelt werden!

Als immer größer werdendes Problem stellen sich hierbei ständig zunehmende Resistenzen der Gonokokken gegen die verfügbaren Antibiotika dar.
So sind mittlerweile mehr als 60% der Gonokokken gegen die z.B. in der Urologie oft eingesetzten Chinolone (Ciprofloxacin, Levofloxacin) resistent. Tetrazykline (z.B. Doxycyclin) sind in 42%, Penicillin ist in 19% wirkungslos.
Recht sicher wirksam sind Azithromycin, mit Einschränkungen (unsichere Verteilung in die Rachenschleimhaut, abnehmende Empfindlichkeit der Gonokokken) Cefixim und vor allem Ceftriaxon, welches in allen aktuellen Leitlinien als das wirksamste Gonokokken-Antibiotikum gilt. Zur Vermeidung einer weiteren Resistenzentwicklung werden heute ausschließlich Antibiotika-Kombinationstherapien empfohlen.

Bei der unkomplizierten Entzündung der Harnröhre, des Gebärmutterhalses und des Enddarms ist eine Kombination aus einmalig 1g Ceftriaxon als intramuskuläre Injektion oder als Kurzinfusion UND
einmalig 1,5g Azithromycin in Tablettenform die Standardbehandlung.

Nur wenn die intramuskuläre/intravenöse Gabe von Ceftriaxon nicht möglich und eine Rachenbeteiligung ausgeschlossen ist, kann alternativ die Gabe von 800mg Cefixim in Tablettenform – auch wieder in Kombination mit Azithromycin – erfolgen.

Bei Nachweis der Gonokokken im Rachenabstrich ist immer Ceftriaxon zu bevorzugen, da Cefixim im Rachen nicht sicher in ausreichenden Konzentrationen vorliegt und zu schlechteren Heilungsraten als Ceftriaxon führt. 

Eine Therapiekontrolle mittels erneutem Abstrich-/Urin-Test sollte zwei Wochen nach Abschluss der antibiotischen Behandlung erfolgen.

Schutz vor Übertragung und Partnerbehandlung

Um Infektionen von Sexualpartnern/innen zu verhindern, sollten alle Infizierten während 7 Tagen nach Beginn der antibiotischen Behandlung sexuelle Kontakte vermeiden. 

Zudem sollten Sexualpartner/innen der letzten 60 Tage vor Auftreten der Beschwerden informiert werden. Diese sollten sich auf Gonokokken untersuchen lassen. Bei positivem Nachweis sollte eine Behandlung erfolgen. Sollte keine Testung möglich sein, sollten die Sexualpartner auch ohne Gonokokken-Nachweis antibiotisch behandelt werden.

Weiterführende Informationen

Literatur:
1.         Morse, Ballard, Holmes, Moreland: „Atlas of Sexually transmitted Diseases and AIDS“

2.         S2k-Leitlinie: Gonorrhoe bei Erwachsenen und Adoleszenten, Stand: 08/2013 auf www.awmf.de

3.         RKI-Ratgeber für Ärzte: Gonorrhö (Tripper) auf www.rki.de       

Info-Text zu Gonokokken von Tobias Glaunsinger auf: www.my-micromacro.net

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